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Das Gericht Düthe

von Dr. Nicolas Rügge, Nds. Staatsarchiv, Osnabrück

Düthe und Lathen als Gerichtsorte

"In der Bauerschaft Düthe, sechs Meilen Weges von Lathen, ist ein Platz und Gerichtsstuhl" - so heisst es 1571 in einem Bericht.  Dort werde das "Landgodink" gehalten, also das landesfürstliche Gogericht, und jährlich dreimal Urteile verkündet: nach dem Dreikönigstag, um Ostern und um Michaelis (29. September). 
An gleicher Stelle ist zu erfahren, dass das Emsland, das damalige münstersche Amt Meppen, in sechs Gerichte aufgeteilt war, nämlich Aschendorf, Düthe, Hümmling, Haselünne, Haren und Meppen. Zum Gericht Düthe gehörte "das Kirchspiel Lathen mit den Bauerschaften Hilter, Tinnen, Emen, Ober- und Niederlangen, Düthe, Fresenburg, Melstrup, Frackel und Kathen, dazu das Kirchspiel Steinbild mit den zugehörigen Bauerschaften Sustrum, Walchum, Dersum, Ahlen, Dörpen und die halbe Bauerschaft Wippingen". 
Die Aufteilung lässt erkennen, dass ein "Gericht" im damaligen Verständnis auch eine Verwaltungseinheit darstellte. Dieser Befund verweist auf die Ursprünge des Gerichts Düthe im Mittelalter, als noch kein modernes Staatswesen bestand, wie es heute die Rechtsprechung als eine von vielen Funktionen wahrnimmt. Zunächst verhielt es sich vielmehr umgekehrt: Verschiedene Herren (Klöster, Adlige) verfügten über einzelne Herrschaftstitel, darunter auch Gerichtsbefugnisse, die sich erst allmählich zu flächenstaatlich wirksamen Hoheitsrechten zusammenfügten und verdichteten. Die Grenzen zwischen Justiz und Regierung waren noch fließend.
In diese vorstaatlichen Zeiten reicht die Geschichte des Gerichts Düthe zurück. Lange bevor es im deutschen Raum juristisch gebildete Berufsrichter gab, übten hier mächtige und angesehene Freie die Rechtsprechung aus. Die Spuren führen einerseits zu der adligen Familie von Düthe,  die sich nach ihrer Residenz benannte, und andererseits zur Fresenburg, zu deren Burgmannen die Herren von Düthe ebenfalls gehörten. Dass es in dieser Gegend einige mächtige Adelsfamilien gab, die das Recht nicht nur finden, sondern auch durchsetzen konnten, begünstigte die Entstehung des Gerichts. Möglicherweise geht es ursprünglich auf die Hofgerichtsbarkeit des sächsischen Haupthofes Düthe zurück, die unter Karl dem Großen in ein Gogericht umgewandelt wurde,  doch liegen die Anfänge mangels schriftlicher Quellen im Dunkeln.
Der Freistuhl, der "bei Düthe auf dem sogenannten Menschenberge"  gestanden haben soll, mag eher eine Konkurrenz- als eine Vorgängereinrichtung gewesen sein. In einem solchen Gericht sprachen "Freigrafen" genannte Richter und freie Schöffen unter königlichem Bann Strafurteile aus, bis ihre Befugnisse allmählich von den landesherrlichen (Go-)Gerichten zurückgedrängt wurden. Über die unfreien Bauern wachten zunächst auch noch andere, meist grundherrliche Institutionen.
Die erste schriftliche Erwähnung datiert aus der Zeit nach dem Übergang des Emslandes an das Fürstbistum Münster 1252, womit das Gericht Düthe, wenn es denn zuvor schon bestanden hatte, den bischöflichen Institutionen angegliedert wurde. Zwei Urkunden aus den Jahren 1290 und 1317 werfen ein erstes Licht auf die Besetzung und Tätigkeit des Gerichts im Mittelalter. Als Otto von Düthe 1290 zusammen mit sechzehn Fresenburger Burgmannen einen Eigentumsverzicht beurkundet, wird er als "Richter" (iudex) wohl des nahe gelegenen Gerichts in Düthe bezeichnet. 

Erste Erwähnung des Richters Otto von Düthe (1. Zeile:

Erste Erwähnung des Richters Otto von Düthe (1. Zeile: "Otto de Thute judex") 1290, überliefert in einer Abschrift aus dem 14. oder 15. Jahrhundert.
(StA OS, Rep 2 Nr. 217, S. 23)

Die "zu den ältesten emsländischen Adelsgeschlechtern" zählende Familie hatte allerdings bis 1335 auch das Gogericht auf dem Hümmling in Eigenbesitz und hat damit "schon frühzeitig in unserer Heimat eine erhebliche Rolle gespielt".  Das Richteramt in Düthe hatten Otto und seine Familie vermutlich noch nicht sehr lange inne,  was dafür spricht, dass die eigentliche Geschichte des Gerichts erst in münsterscher Zeit beginnt. Die Burgmannen bildeten "anscheinend den Umstand an dem Gericht in Düthe",  begleiteten also die Urteilsfindung, weshalb sie auch einen wichtigen Rechtsakt durch ihre Siegel mit beglaubigten, der das Gericht selbst betraf: 1317 tauschte der Bischof von Münster das Gericht in Düthe, das Otto von Düthe nur pfandweise von ihm zu Lehen hatte, gegen die Rückgabe anderer Güter wieder ein.  Damit ging das Gericht also aus der unmittelbaren Verfügungsgewalt der örtlichen Adelsfamilie in die des bisherigen lehnsrechtlichen Oberherrn, des Bischofs von Münster, über. Dieser konnte nun andere Lehnsträger nach seiner Wahl mit dem Amt betrauen. Unklar bleibt, "wie das Lehensverhältnis zu Münster entstanden ist, bzw. ob schon eines zu Ravensberg bestanden hat" und "ob es sich um ein reines Gogericht handelte oder um ein Freigericht. Im 15. Jahrhundert erscheint es wie viele Gerichte im Niederstift als Kombination von Go- und Freigericht."
Wohl noch im Lauf des 14. Jahrhunderts verließen die Burgmannen die Fresenburg und gingen vermutlich fortan in der Landegger Burgmannenschaft auf.  Das Gericht Düthe überdauerte diesen Einschnitt, allerdings ging die Bedeutung des Ortes in den nächsten Jahren zugunsten Lathens zurück - eine typische Entwicklung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, in der die Herrschaft kaum mehr von abgelegenen Burgen ausging, sondern Verkehrs- und Marktgesichtspunkte eine größere Rolle spielten. Bereits nach dem erwähnten Bericht von 1571 fand in Lathen "unter der Linde an der gewöhnlichen Gerichtsbank" ein Teil der Rechtshandlungen statt, nämlich die Zivilklage und die Einforderung von Strafgebühren (sog. Brocken oder Brüchten).  Aus dem Jahr 1540 ist bezeugt, dass der Amtsrentmeister die verschiedenen Gerichte per Umritt besuchte, wohl um die Einnahmen gleich mitzunehmen: Am Montag nach Dionysii (9. Oktober) begann er in Haselünne und gelangte jeweils den nächsten Wochentag nach Meppen, Haren, Düthe und auf den Hümmling, bis die Reise samstags in Aschendorf endete. Bei seiner Kostenabrechnung der besuchten (Michaelis-) "Goedinge" erwähnt aber schon er mitunter nicht Düthe, sondern Lathen als Gerichtsort.  Es ist daher fraglich, ob man die Verlegung des Gerichts nach Lathen genau auf das Jahr 1666 datieren kann, als der Richter Kock seinen Wohnsitz auf dem dort erworbenen "Schlingehof" nahm.  Vielleicht lässt sich besser von einem allmählichen Verlagerung des Dienstortes sprechen. Seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert war jedenfalls immer häufiger und schließlich nur noch vom "Gericht Lathen" die Rede, auch wenn das Siegel des Richters noch 1688 die Umschrift "Sigillum iudicii Duethensis" erhielt und so bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts in Gebrauch war.  Im Gefolge der Säkularisation, die 1803 das Ende des münsterschen Amtes Meppen mit sich brachte, wurde das Gericht 1809 aufgehoben und sein Bezirk auf die neuen Friedensgerichte Papenburg und Meppen verteilt. 
In Düthe hat man wohl bis in unsere Tage den alten Verhandlungsort des "Things" nicht vergessen, denn es "wird der Ortsteil, in dem sich die Höfe Schulte-Greve, Schwering und Huntemann befinden, nach dieser Stätte ‚Theiort' genannt."  Auf dieser "mit Bäumen bestandenen Anhöhe dem jetzigen Dortmund-Ems-Kanal entlang"  soll das Gericht getagt haben. Problematischer sind die immer wieder geäußerten Deutungen mehrerer Hofnamen mit Bezug auf das Gericht: Der Hof Greve wurde mit dem Gografen in Verbindung gebracht, der Hof Schwering mit dem Schwurgericht, der Hof Schriever mit dem Gerichtsschreiber. Nun bewohnte aber den erstgenannten Hof Mitte des 16. Jahrhunderts ein Hinrick van Greven, der sich offenbar nach seinem Herkunftsort nannte und mit dem Amt eines Gografen oder Grefen nichts zu tun hatte.  Der Name Schwering (um 1499: Johan Swerinck ) ist mit größter Wahrscheinlichkeit aus "S(ch)weder-ing" (Sohn des Schweder) entstanden und hat damit dieselbe Bedeutung wie der im Emsland häufigere Name Schweers. Die Ableitung eines Vater- oder allgemeinen Zugehörigkeitsnamens auf -ing kommt aber auch in der Umgebung Düthes vor, beispielsweise bei Sievering (von dem ebenfalls heute ungebräuchlichen Vornamen Sievert) in Steinbild.  Gut möglich ist ein Bezug zum Gericht nur bei dem Hof Schriever, der schon im frühen 15. Jahrhundert in den Lehnsbüchern der Osnabrücker Bischöfe als "domus Schrivers" oder "domus scriptoris to Duthe" bezeugt ist.  Dass ein schriftkundiger Hofbesitzer dort dauerhaft gewohnt haben könnte, ist äußerst unwahrscheinlich, zumal selbst aus späterer Zeit nur selten feste Gerichtsschreiber bezeugt sind. Eher ist ein Wohnrecht des Schreibers auf diesem Hof zur Zeit der Gerichtstermine denkbar. Welche Zusammenhänge genau zu diesem Beinamen führten, wird sich wohl nicht mehr sicher klären lassen.

Richter und Hilfspersonal

Wenn vom "Gericht" Düthe die Rede ist, darf man sich darunter keine moderne, arbeitsteilig organisierte Behörde vorstellen. Das Gericht war vielmehr nahezu gleichbedeutend mit dem (einzigen) Richter. Einschränkend ist allerdings zu bemerken, dass im Mittelalter noch mehrfach ein "Umstand" von adligen Burgmannen bezeugt ist, der bei der Rechtsfindung assistierte. Bis zum Ende des Gerichts schrumpfte dieses Kollegium zwar auf zwei bürgerliche oder bäuerliche "Kornoten" (d.h. Kur- oder Wahlgenossen), "Gerichtsschöffen" oder "Assessoren" zusammen, doch immerhin wohnten Vertrauensleute aus den Gemeinden den gerichtlichen Handlungen bei und bezeugten wichtige Verträge mit. 
Dagegen fehlten oft beeidete Gerichtsschreiber, so dass sich die emsländischen Richter, insbesondere aber die in Düthe, lange Zeit mit den Schreibern der Amtleute, mit Pastoren, Küstern und Schulmeistern, zuletzt meist mit Notaren, behelfen mussten und manche die Protokolle auch selbst niederschrieben.  1762 gab es zwar einen offiziellen Lathener Gerichtsschreiber namens Bernard Anton Mulert, doch wohnte dieser in Meppen und hatte dort sowie in Haren dasselbe Amt inne, so dass man ihn sicher oft schwer erreichen konnte; der Gerichtspedell Jan Lammers aus Lathen war dagegen leichter greifbar, aber nur für einfachere Hilfsleistungen qualifiziert. 
So ist längerfristig eine Entwicklung vom mündlichen, personalintensiven, aber wenig spezialisierten Adelsgericht des Mittelalters zur frühneuzeitlichen Kleinstbehörde festzustellen. Mit der allmählichen Konzentration auf das Amt des Richters gingen weitere, in eine ähnliche Richtung zielende Entwicklungen einher: zur "Verbürgerlichung" des Amtes, das in rein bischöflichem Auftrag wahrgenommen wurde und einer in der Person des adligen Richters liegenden Autorität nicht mehr bedurfte, sowie zur berufsmäßigen und eine spezielle Ausbildung erfordernden Amtsausübung (Professionalisierung).
Auf den 1290 und 1317 zuerst genannten Richter Otto von Düthe folgten zunächst wohl weitere Burgmannen und Adlige, deren Namen aber nur bruchstückhaft überliefert sind.  Erst ab 1387 wird Otto von Ahlen (von der gleichnamigen Burg) als Richter erwähnt, später dann sein Sohn Stephan, der unter anderem 1422 die Einwilligung des Lathener Pfarrers zum Wiederaufbau der Fresenburger Kapelle bezeugte. Es folgten Johann Cloet auf Gut Osterwedde (genannt ab 1457), Heinrich Schade auf Gut Ahlen (1470), Evert von Beel (um 1504) und Hermann von Thorney auf Gut Beel (um 1509/12, zugleich Freigraf zum Flütenberg und des Emslandes). Eine Urkunde von 1523 nennt Heinrich von Schwarzburg (Swartzborch) als Richter zu Düthe.  Der seit 1524 mehrfach erwähnte Richter Berent Langen übte vermutlich als erster Bürgerlicher dieses Amt aus,  es vertrat ihn aber zwischenzeitlich (?)  wieder ein Adliger, der Knappe Wermold von Heede. Auch 1571 heißt es: "Olthman Schwengke, einer vom adell, ist richter tho Duthe", er habe einen guten Ruf und sei "sesshafft tom Fresenberge."  Dabei wird hervorgehoben, dass er "schriven" und "lesen" konnte, das Gericht selbst "besitzt und bedient", also nicht durch geistliche Notare oder andere "angestellte" rechtskundige Personen verwalten ließ. Die 1572 erlassene bischöfliche Hof- und Landgerichtsordnung setzte allerdings einige Neuerungen in Kraft, die eine professionellere Amtsausübung einleiteten: So wurden die Untergerichte vom "offenen Felde" in Häuser verlegt, die Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. eingeführt und die Untergerichte in einen Instanzenzug zum Hofgericht in Münster eingebunden. 
Wohl auch deswegen ging mit Olthmans Sohn Arn(ol)dt Schwenke zur Fresenburg, der mit Unterbrechungen zwischen 1577 und 1618 amtierte, die Zeit der adligen Richter zu Ende (siehe Abbildung).

Mit (beschädigtem) Siegel und eigenhändiger Unterschrift. (StA OS, Dep 62 b Nr. 583, Bl. 10)

Den neuen Anforderungen wussten bürgerliche Juristen"dynastien", wie sie in der Frühen Neuzeit nicht nur im Emsland entstanden, besser zu begegnen. In Düthe amtierten zunächst kurzzeitig Franz Molanus und Caspar Langen (ein studierter Nachkomme des Richters Berend Langen), bis die Familie Kock (Cock, Koch) das Richteramt fast 150 Jahre lang für sich reservieren konnte.
Zunächst vertrat zwar Johannes Kock um 1602 die Stelle anscheinend nur kurzzeitig. Nach dem Tod Caspar Langens wurde aber 1624 der emsländische Korn- und Küchenschreiber Christoph Kock zum Richter ernannt. Er hatte schon zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges durch in Meppen einquartierte Soldaten seine Habe eingebüßt und sich aus der Gefangenschaft freikaufen müssen; später verlor er sein Meppener Haus ganz und hat sich nach eigenen Angaben sogar nach "der Statischen Guarnisoun, die Burtangen genandt, zu Salvirung Leib und Lebens zum exilio begeben unnd darin über die sechs Jharen beharret und alle mein Übriges verzehret".

Arnold Schwenke zur Fresenburg legt 1618 sein Richteramt zu Düthe nieder und bittet den Landesherrn, Franz Molanus zu seinem Nachfolger zu ernennen.
Mit (beschädigtem) Siegel und eigenhändiger Unterschrift. (StA OS, Dep 62 b Nr. 583, Bl. 10)


Kocks Berufung sollte wohl auch eine Entschädigung für die im Dienst des Landesherrn erlittenen Nöte sein, seine Qualifikation für dieses Amt ist dagegen fraglich. Anders als für seinen Sohn und Nachfolger ist ein "studium juris"  in Münster für ihn noch nicht belegt.
Es folgte nun immer wieder der Sohn auf den Vater, der meist noch zu Lebzeiten den Landesherrn um diese Gnade gebeten hatte: Faustin (1647), Johann (1685), Christoph Bernhard (1687), Bernhard Josef (1722) und als erster promovierter Jurist Dr. Anton Albert Kock (1739/50). Nur ab 1681 durfte ein Schwiegersohn des verstorbenen Richters, der Gerichtsprokurator und Meppener Stadtsekretär Johannes Kock (!), mehrere Jahre lang das Amt vertreten, bis der junge Anwärter Christoph Bernhard sich ausreichend qualifiziert hatte.  Immer enger zogen sich die Beziehungsnetze, so dass die Familie schließlich nicht nur mit namhaften Juristen- und Beamtenfamilien des Emslandes wie den Nankemann und Mulert verwandt und verschwägert war: Durch die Heirat von Kockschen Töchtern mit Küstern und Landwirten verband sich der Clan auch mit weiteren Kreisen der ländlichen Bevölkerung. 
Zweifellos nutzten die Richter diese Verbindungen auch zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage: zum Land- und Hauserwerb sowie zur Beteiligung am Kapitalmarkt.
Das reguläre Diensteinkommen lässt sich schwer beziffern, da es, wie in der Frühen Neuzeit üblich, hauptsächlich aus den Gerichtsgebühren (Sporteln) bestand. Darüber hinaus hatte der Richter Anspruch auf regelmäßige Leistungen der eingesessenen Hofbesitzer, insbesondere Fuhren (meist ersatzweise Dienstgeld) und Getreidelieferungen (die so genannten Richtergarben).  1762 bekam Albert Anton Kock, "Richter zu Laten", nach eigenen Angaben aus der "Ambts Rente-Meisterey für einen Herren Dienstwagen acht Reichsthaler und zwey und einen halben Reichsthaler Kleidungsgeld" sowie von mehreren Fußdienstpflichtigen insgesamt knapp 4 Reichstaler. An Naturalien hatte er von 40 Erben im Kirchspiel Lathen jeweils 20 Roggengarben im Jahr zu erwarten und durfte zwei Schweine zur Mast ins Düther Holz treiben. An Gebühren erhielt er "von jeden neuen Zuschlag einen Reichsthaler und sonsten dasjenige, was vermög der Landt-Gerichts- und Taxordnung einen Richtern gebühret."  Der Richter Helter bezifferte seine jährliche Gesamteinnahme auf umgerechnet 122 Reichstaler in Geld, davon etwa 90 an Sporteln.  Die Kaufkraft kann wegen der ernteabhängigen Getreidepreise und daher stark schwankenden Lebenshaltungskosten schwer auf heutige Verhältnisse umgerechnet werden. Nimmt man die Heiratskreise als Indiz hinzu, lässt sich von einem stattlichen, aber nicht üppigen Gehalt sprechen, das den Richter sicher zu den "Honoratioren" seines Sprengels zählen ließ, ohne ihn den insgesamt dürftigen Verhältnissen der Bewohner seines Sprengels allzu sehr zu entfremden. Wie alle aus der überkommenen, im Kern immer noch grundherrlich fundierten Sozialverfassung resultierenden Abgaben und Dienste stießen auch die Richtergarben im 18. und 19. Jahrhundert auf wachsenden Protest der Pflichtigen, bis auch sie schließlich abgelöst wurden.  Erst jetzt war der Weg für die moderne feste Besoldung der Justizstellen frei.
Vielleicht durch Mangel an qualifizierten Söhnen bedingt, war mit Dr. Anton Albert Kock die Richter"dynastie" zugunsten zweier ebenfalls promovierter Juristen abgebrochen: 1767 folgte Dr. Johann Theodor Dingerkus aus Münster und 1774 Dr. Wilhelm Jacob Helter aus Meppen, der zeitweise auch in Meppen, Haren und auf dem Hümmling das Richteramt ausübte. Dieser "überlebte die vom Herzog von Arenberg am 16. Mai 1809 für das Ende der ‚Erndte Ferien' dieses Jahres angeordnete Aufhebung des Gerichts für den Raum Lathen nur um ein weniges. Er starb, unverehelicht, als letzter Richter dieses Gerichts am 15. November 1809".


Aufgaben und Betroffene

Haben die Untertanen ihre Abgaben und Dienste zum Unterhalt des Gerichts als reinen Zwang empfunden, oder sahen sie in dessen Tätigkeit auch für sich selbst einen Nutzen, der ihre Beiträge als Gegenleistung rechtfertigte? Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil lebte die bäuerliche Bevölkerung der Frühen Neuzeit, ob "leibeigen" oder "leibfrei", keineswegs rechtlos dahin. Zum einen war sie nicht allein der Willkür ihrer Herren ausgeliefert, sondern konnte sich gegen als ungerecht empfundene Maßnahmen wehren, wenn auch die Machtmittel sehr unterschiedlich verteilt waren. Zum anderen standen Institutionen zur Verfügung, die Streitigkeiten innerhalb der Gemeinden und Familien beilegten und vorbeugend dazu beitrugen, solche Konflikte zu vermeiden. In diesem Sinne wirkte auch das Gericht Düthe.
Zur Vermeidung von Streitigkeiten und zur Herstellung von Rechtssicherheit diente schon damals der Bereich, den man heute als freiwillige Gerichtsbarkeit bezeichnet. Die Richter nahmen verschiedenste Handlungen zu Protokoll und fertigten mit der schriftlichen Urkunde ein öffentlich beglaubigtes Beweisstück an, auf das sich die Beteiligten noch viele Jahre später berufen konnten.
Nur einige Beispiele aus der insgesamt reichen Überlieferung: Schon 1418 beurkundete der Düther Richter einen Landverkauf in Frackel,  1457 die Veräußerung von Wachtmanns Erbe in Oberlangen.  Es sind auch einige Eheverträge überliefert, in denen die mitzubringende Aussteuer festgehalten wurde.  1630 bezeugte der Richter Christoph Kock einen besonders komplizierten Fall: Die Vormünder der Tybe Roleffs aus Dörpen mussten das verschuldete Schyers Erbe ihres "Pflegkindts" in Dersum auf sechs Jahre an Herman Conneman aus Heede verpachten; es sollten aber später dessen jüngster Sohn Johan und das Waisenkind nach "Christlicher Catholischer Ordnungh" heiraten und beide Höfe besitzen.  Im Jahr 1667 nahm der Richter Faustin Kock das Testament des Albert Runde zu Rhede auf, wobei er vorab festhielt, dass dieser "zimblichen hohen Alters, dannoch gesundes Leibes gehendt, stehendt, seines Verstandes und Vernu[n]fftes (wie nicht anders eußerlich zu sehen) wollwißigh und mächtigh" sei. Runde wollte mit dieser Urkunde nicht nur ausdrücklich Zwietracht zwischen seinen Kindern und Verwandten vermeiden, sondern auch sicher gehen, dass die vorgesehene Stiftung von jeweils fünf Talern für die Armen der Gemeinden Steinbild und Lathen wirklich ihrer Bestimmung zugeführt würde. 
Trafen die vereinbarten Zahlungen nicht pünktlich ein, konnte eine "Zivilklage" vorgebracht und ein Vergleich abgeschlossen werden: So erschienen vor dem Richter im April 1689 "Willeken Temmeke von Fresenborg" und "Johan Grote von Melstrup" als Bevollmächtigte wegen einer "kindlichen Schuld" von 30 Reichstalern, die "Tholen Tallen von Fresenborg" zu fordern hatte. In Anwesenheit der vermutlichen Schöffen Meister Gerdt Lambers und Wilcke Baallmans wurde vereinbart, die Zahlungen im Mai aufzunehmen.  Schon 1614 einigten sich die Bauerschaft Tinnen und mehrere Bauern aus Hilter über die Schaftrift, darüber ließen sie den Richter sogar eine Pergamenturkunde ausstellen.  Zeigte sich eine Partei mit dem Spruch nicht zufrieden, war seit dem 16. Jahrhundert, wie schon dargestellt, eine Berufung an das Weltliche Hofgericht in Münster möglich. Von einem späteren Prozess des Gerichts Lathen ist sogar nachweisbar, dass er von dort aus bis vor das Reichskammergericht, das höchste Gericht des Reiches, gelangte.
Vor dem Brüchtengericht verhandelte der Richter kleinere Streitigkeiten und verhängte Strafgelder. Zum Beispiel musste 1663 mehrfach gegen einen gewissen Albert Broyer vorgegangen werden: Dieser hatte "Johan Claeßen ein Auge blindt unndt blaw geschlagen", so "daß ihme Nase unndt Mundt geblütet", und Herman Dercks mit einem "Torffspahden" niedergestreckt. In den herrschaftlichen Teichen hatte er "vorsetzlich mitt Angelen unndt kleinen Netzen gefischet". Am gefährlichsten war jedoch, dass er "mitt einem gelahdenen Rohr, worein er unterschiedliche Kugelen gehabt, in Wubbelt Kupers Hause bei Abendtzeithen gelauffen" und dort mehrere Leute niederschießen wollte, "welches auch geschehen, wan nicht Evert Hiebing die Leuthe zuvorn gewarnet". Für diese Tat musste er die damals gewaltige Summe von 20 Talern beibringen. Wegen mehrerer Diebstähle waren Claeß Herman und seine Frau aufgefallen, unter anderem hatte er "Juncker Schwencken ohngefehr drey Jahr verlitten von Kastinger Mohr ein Fuhder Torff entwendet". In zwei Fällen waren Sonn- und Feiertage durch Arbeiten "verunheiliget" worden, wobei Lambert Langens Frau besonderes Pech hatte: Beim Ausladen von Heu aus der Pünte ist sie "in die Embß gefallen, und dadurch an ihre Behne großen Schaden bekommen, daß sie zu Heilung desselben Schadens einen Veldtscherer gebrauchen müssen". Harmlos erscheint dagegen der Vorwurf gegen Johan Rump aus Walchum und Johan Wilckens Sohn, die "bey nachtschlaffender Zeith über die Embß gekommen unndt Herrn Pastoris zu Stennebill Apfell geschüttet unndt selbige wegnehmen wollen". Doch auch sie wurden mit 4 Talern Bußgeld ziemlich streng bestraft. Die Brüchtengelder, darunter die in diesem Jahr vom Düther Gericht in 20 Fällen insgesamt verhängten
75 Reichstaler, machten einen erheblichen Teil des schmalen Amtsetats aus.
Entsprechend den fließenden Grenzen von Gericht und Verwaltung wurden die Richter auch zu "exekutiven" Aufgaben herangezogen, bestellten und führten bis 1572 sogar die Truppen des "Landaufgebots".  Darüber hinaus legte der Düther Richter Christoph Kock beispielsweise 1640 umfangreiche Steuerregister über alle Erben und Häuser in seinem Bezirk an;  und wenn ein eigenbehöriger Bauer oder seine Frau gestorben war, wurde der Richter auf den Hof geschickt, um zur Berechnung einer Abgabe den Nachlass aufzunehmen (siehe Abbildung).

Der Richter Faustin Kock besiegelt und unterschreibt zusammen mit dem Vogt zu Lathen Berendt Brümmer die Nachlassaufnahme eines eigenbehörigen Bauern aus Sustrum, 1648. (StA OS, Dep 62 b Nr. 112, Bl. 23)

Der Richter Faustin Kock besiegelt und unterschreibt zusammen mit dem Vogt zu Lathen Berendt Brümmer die Nachlassaufnahme eines eigenbehörigen Bauern aus Sustrum, 1648. (StA OS, Dep 62 b Nr. 112, Bl. 23)

So leistete das Gericht vielfältige Beiträge zur Schriftlichkeit und Rechtssicherheit in einer Gesellschaft, in der noch vieles nach mündlicher Absprache und Tradition geschah. Eine genauere Analyse kann in diesem kleinen Beitrag nicht geleistet werden. So viel scheint aber sicher: Das Gericht war von erheblicher Bedeutung nicht nur für die münstersche Herrschaft in diesem Raum, sondern auch für die Einwohner von Düthe, Fresenburg und den umliegenden Dörfern selbst.


 

 
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