Das alte Nadelwehr Düthe
Geschichtliches
Die königliche Kanal-Kommission in Münster, die dem preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten unterstellt war, begann am 01. Juli 1889 mit der Planung des Dortmund-Ems-Kanals. Diese Kommission war zuständig für die endgültige Linienführung des Kanals und seiner technischen Bauwerke. Da die Ems zu dieser Zeit an vielen Stellen nur eine Tiefe von einem Meter hatte, musste sie zur Realisierung der geplanten Fahrwassertiefe durch Wehre aufgestaut werden. Diese Wehre wurden in Schleifen des Flusses gebaut und Umgehungskanäle, in denen sich eine Schleuse befand, ließen eine geordnete Schifffahrt zu.
Im Jahre 1893 wurde mit dem Bau des Düthe-Fresenburger-Umgehungskanal (Durchstich) und seiner Bauwerke wie Schleuse, Wehr, Düker und Brücken begonnen. In der Emsschleife am Anfang des Durchstichs (oberhalb von Lathen) wurde das Nadelwehr errichtet. Dieses Nadelwehr hatte eine Breite von 50,60 m und die Ems konnte 2 m aufgestaut werden.
Mit der feierlichen Eröffnung des Dortmund-Ems-Kanals am 11. August 1899 durch Kaiser Wilhelm II wurde auch das Nadelwehr Düthe in Betrieb genommen. Zu der gesamten Anlage gehörten auch ein Wehrmeistergebäude und ein Lagerschuppen. Heute steht noch das Wehrmeisterhaus und die beiden Landpfeiler.
Karte: Preußische Landesaufnahme / Quelle: LGLN
Nadelwehr und Wehrmeisterhaus (Aufnahme von 1955)
Auszug aus der Bauakte der Wasser-Bauinspektion Meppen – Bezirk 2 Lathen
Bezeichnung und Beschreibung des Bauwerks
C. Bauwerke in und neben dem durch den Umgehungskanal bei Düthe abgeschnittenen Emsarm von km 39,95 bis km 49,72.
Nadelwehr bei Düthe
Das Nadelwehr bei Düthe ist erbaut in den Jahren 1895 bis 1897. Es hat eine Öffnung von 50,60 m Lichtweite. Der feste Wehrrücken liegt 45 cm unter dem gemittelten Niedrigwasser der Ems, etwa 60 cm über der mittleren Flusssohle. Die Gründung ist erfolgt auf Beton zwischen Spundwänden. Die Uferpfeiler sind aus hartgebrannten Ziegelsteinen hergestellt unter Verwendung von Werksteinen aus Ibbenbürener Sandstein für die Kanten und Ecken. Der feste Wehrrücken ist aus Bruchsteinmauerwerk hergestellt unter Verwendung von Werksteinen aus den Brüchen von Rustenfelde bei Arenshausen für die Auflager der Wehrböcke. Im rechten Landpfeiler ist ein Fischpass mit 6 Kammern angeordnet. Das Sturzbett besteht aus einer Sinkstücklage mit Steinbewurf. 4,50 m oberhalb des Wehrkörpers ist zum Schutze gegen Unterspülung eine dritte Spundwand quer durch den Fluss geschlagen.
Der Zwischenraum zwischen den beiden oberen Spundwänden ist mit Lehm ausgefüllt, welcher mit Steinen abgedeckt ist.
Die an die beiden Landpfeiler anschließenden Uferböschungen sind mit Bruchsteinen abgepflastert. Der Fuß dieses Böschungspflasters stützt sich gegen eine Pfahlreihe mit vorgelegter Steinschüttung. Die aus Schweißeisen bestehenden 41 Wehrböcke sind 3,16 m hoch. Die für das Wehr benötigten ca. 550 aus Nadelholz (Pitchpine) bestehenden Nadeln sind 3,50 m lang, haben quadratischen Querschnitt von 9,15 cm Seitenlänge und sind zum größten Teil mit Harken (Hakennadeln) versehen. Zum Ziehen der Nadeln sind 2 schmiedeeiserne Nadelheber vorhanden. Zum Aufrichten und Niederlegen der Wehrböcke dienen kleine tragbare eiserne Winden. An den Stirnseiten des Fischpasses befinden sich zwei gusseiserne Pegel, deren Nullpunkt auf N.N. + 3,60 liegen. Bei normalem Staufall der Oberpegel einen Wasserstand von 2,40 m anzeigen. Das größte Gefälle des Wehres bei normalem Stau beträgt bei sehr kleinem Unterwasser 2,36 m. An der oberen Stirnseite des Fischpasses ist in einem verschließbaren Kasten eine Schwimmereinrichtung mit elektrischer Kontaktvorrichtung angebracht. Die letzteren sind durch zwei Kupferdrähte mit einer galvanischen Batterie und einer Weckerglocke, beide im Wehrmeistergebäude, verbunden und tritt in Tätigkeit, sobald der Wasserstand am Oberpegel die normale Höhe überschreitet.
Zur Bedienung des Wehres ist der Wehrmeister mit einer Dienstanweisung versehen.
Karte: aus der Bauakte der Wasser-Bauinspektion Meppen - Bezirk 2 Lathen - Zeichnung Nadelwehr Düthe von 1895 (Draufsicht)
Karte: aus der Bauakte der Wasser-Bauinspektion Meppen - Bezirk 2 Lathen - Zeichnung Nadelwehr Düthe von 1895 (Querschnitt)
Im Jahre 1956 wurde das Nadelwehr Düthe, als letztes im Emsland, durch ein modernes Klappwehr ersetzt. Hierzu wurde ein neuer Durchstich gegraben und die Emsschleife, an dem das alte Nadelwehr lag, wurde am Ende zugeschüttet und ist heute ein Altarm der Ems. Ebenfalls begannen im Jahre 1956/57 die Planungen für die Verbreitung und Vertiefung des Düthe-Fresenburger-Kanals. Eine neue Schleppzugschleuse Düthe wurde 1957 für den Schiffsverkehr freigegeben.
Neues Klappwehr bei Lathen (Aufnahme von 2013)Die Idee
Die Veröffentlichung eines kurzen Textes (Nadelwehre – ein Stück fast vergessener Emsgeschichte) in der Zeitschrift USE Land+Lüü (02/2012) brachte den Heimatverein Fresenburg auf den Gedanken, ob es nicht möglich sei, ein Nadelwehr wie es früher an vielen Stellen entlang der Ems gab, nachzubauen. Recherchen im Internet, bei ehemaligen Wehrarbeitern und beim Wasser- und Schifffahrtsamt in Meppen bzw. bei der Außenstelle in Lathen brachten uns auf die Idee, ein Modell eines solchen Nadelwehres nachzubauen, denn Originalteile gab es nicht mehr. Was wir in der Gemeinde Fresenburg noch vorfanden, waren die beiden Uferpfeiler. Der Platz vor dem ehemaligen Nadelwehr bot sich idealerweise als Standort für unser Projekt an. Die politische Gemeinde Fresenburg und das Wasser- und Schifffahrtsamt Meppen gaben uns grünes Licht. In Abstimmung mit beiden Institutionen erstellten wir die Planung für das Modell. Das Wasser- und Schifffahrtsamt stellte uns die nötigen Unterlagen zur Verfügung, sodass wir eine Größenordnung von der ehemaligen Anlage erhielten und sie für unser Modell umsetzen konnten. Ferner konnten wir von den uns vorliegenden alten Plänen mit den dazugehörigen Beschreibungen Anschauungsmaterial für eine Informationstafel zusammenstellen.
Bau des Modells
Am 25. April 2013 fingen die ersten Arbeiten zu dem Projekt "Aufstellung eines Modells des ehemaligen Nadelwehres Düthe“ an. Man besichtigte den Platz und markierte die geplante Anlage. Anfang Mai wurden die Fundamente gegossen. Zu unserem Glück stießen wir bei den Ausgrabungsarbeiten schon nach gut 30 cm auf bereits vorhandene Fundamente. Das Gelände wurde demnach bei Abbruch der alten Wehranlage (1956) nur ein wenig mit Boden aufgefüllt.
Gut 2 Wochen später waren die Maurerarbeiten beendet und das Gelände konnte für die kommenden Pflasterarbeiten profiliert werden.
Mitte Juni wurden die Betonarbeiten in Angriff genommen. Auf diesen Betonteilen, dem so genannten Wehrrücken, werden später die Wehrböcke aufgestellt. Ebenfalls wurde die Anschlagschwelle für die Wehrnadeln aus Beton hergestellt.
Nachdem die Außenwände und die Betonteile errichtet waren, erfolgte die Auspflasterung mit Bruchsteinen. Somit war der untere Teil des Nachbaues, der Wehrrücken mit Sturzbett, fertig.
Nach einer kurzen Sommerpause wurde das Areal gepflastert. Ein Weg vor dem Modell und der Informationstafel sowie eine 5 mal 5 m große Fläche, die Platz für eine Sitzmöglichkeit bietet, wurden hergestellt. Zur Freude aller Helfer wurde diese auch sofort ausprobiert und die Frauen vom Vorstand servierten uns ein köstliches Frühstück.
Die Restarbeiten erledigten sich dann von ganz alleine.
Danach begann die Herstellung der erforderlichen Eisenteile. Beim Metallbau- und Landmaschinenbetrieb Antonius Lammers aus Fresenburg wurden die Wehrböcke, Nadellehnen und Brückentafeln für das Modell vorgefertigt. Auch konnten wir hier die Hakenbügel für die Holznadeln biegen lassen. Die Wehrnadeln wiederum wurden von unserem Vereinsmitglied Walter Andrees aus Eichenholz hergestellt.
In der Zwischenzeit wurde das Gelände gesäubert und Gras eingesät. Die Seitenteile des Modells erhielten, wie beim Original im Flussbett, eine Verkleidung aus Holzpalisaden. Eine Informationstafel wurde erstellt und mit Dokumentations- und Informationstexten versehen.
Am 19. Oktober war es dann soweit. Wir konnten die Eisenteile und die Wehrnadeln auf dem Wehrrücken aufstellen und somit alle erforderlichen Teile für unser Modell zusammenbringen.
Unser Modell der alten Wehranlage ist so angelegt worden, dass es etwa ¼ kleiner ist als das Original. Der von uns aufgebaute mittlere Teil des Wehrrückens mit Sturzbett von ca. 6 m Länge, ist, wie aus der obengezeigten Karte (Querschnitt - roter Kasten) zu ersehen ist, zwischen den Holzpalisaden 8,20 m lang gewesen.
Funktionsweise des Nadelwehres Düthe
Die Wehrböcke (Abb. 1). Sie bestehen aus dem vorderen (a) und dem hinteren (b) Ständer, ferner der Strebe (c) und der oberen (d) und der unteren Welle (e), alle diese Teile aus vollem Eisen. In den Ecken sind sie durch angeschweißte Eckstücke (Eckbleche) verbunden. Zur Versteifung des Bockes dienen zwei Flacheisenpaare (f), die unter sich durch Stehbolzen verbunden sind. Am oberen Eckpunkte des Bockes (nach Oberstrom) ist ein senkrechter Dorn angebracht, auf welchen die Nadellehnen (g) mit einem in ihnen befindlichen Auge greifen und zwar je zwei benachbarte Nadellehnen auf dem Dorn sich überblattend. Eine weitere Verbindung der Wehrböcke wird durch die Brückentafeln (h) hergestellt. Die Tafel besteht aus Riffelblech; sie ist an der oberen Welle des Bockes drehbar befestigt und greift über die Welle des anderen Bockes mit zwei Klauen über, wie aus der Seitenansicht (h’) der Tafel sich ergibt.
Unten auf dem Wehrrücken ist jeder Bock mittels eines vorderen Führungsschuhes (i) und eines hinteren (j) Lagers aufgestellt. Schuh und Lager sind durch Steinschrauben mit dem Granitstein des Wehrrückens verankert. In dem hinteren Lager ist der Bock durch einen Keil gegen Verschieben und Aufrichten gesichert. Gegen Umwerfen durch Wasserdruck oder Stöße ist der Wehrbock vorn durch einen Anker gehalten, welcher mit einer Schleife (Öse) über das vordere Ende der unteren Welle des Bockes greift. An der oberen Ecke (nach Unterstrom) sitzt auf dem Bock ein Dorn, auf welchen ein eiserner Geländerstiel (k) gesetzt werden kann. Als Handleiste des Geländers dient ein Drahtseil.
Die Höhe des Bockes über dem Lager (Wehrrücken) ist beim Nadelwehr Düthe 3,16 m, die obere Breite 1,20 m und die Breite der Brückentafel 0,90 m. Die untere Breite zwischen dem vorderen Führungsschuh und dem hinteren Wehrbocklager beträgt 2,20 m.
Die Nadeln (Abb. 2) bestehen an der Ems aus Pitchpineholz und haben eine Breite und Dicke von etwa 9 bis 10 cm bei mittlerer, 10 bis 13 cm bei großer Stauhöhe. Sie sind oben mit einem Handgriff versehen. Die größten Nadeln, welche bei 2,60 m Stauhöhe im Schiffsdurchlass vorkommen, besitzen bei 4,5 m Länge (einschließlich Handgriff) und 9,6 bis 13 cm größter Stärke ein Gewicht von 36 kg, so dass sie noch ohne zu große Anstrengung von einem Arbeiter getragen werden können. Beim Nadelwehr Düthe sind die Nadeln 3,50 m lang und messen im Querschnitt 9,15 cm.
Die Nadeln lehnen sich unten gegen die Anschlagschwelle (l) des Wehrrückens, oben gegen die aus hohlem Rundeisen bestehende NadelIehne (g), die von Bock zu Bock reicht. An jede Nadel ist oben ein eiserner Hakenbügel (m) angeschraubt, mit welchem sie über die Nadellehne übergreift. Der Hakenbügel hat oben eine nasenförmige Verlängerung.
Zum Ziehen der Nadel wird ein schmiedeeiserner Hebel (n) unter die Nase gesteckt, auf die Laufbrücke gestützt und die Nadel gehoben; sie schlägt dann, an der Nadellehne hängend, nach Unterstrom durch. Die hängenden Nadeln können dann nacheinander bequem ausgehakt und beiseite gelegt werden. Sollen die Nadeln dagegen eingesetzt werden, so werden sie in möglichst waagerechter Lage auf die Nadellehne aufgelegt und so weit nach dem Oberwasser vorgestoßen, dass der Haken die Nadellehne berührt; dabei werden die Nadeln von der Strömung ergriffen und nach Unterstrom gedrückt, bis sie sich an die Anschlagschwelle (l) des Wehrrückens anlehnen.
Kartenausschnitte: Kanal von Dortmund nach den Emshäfen, Abteilung Meppen, Strecke Lathen der königl. Wasser-Bauinspektion von 1899
Niederlegen der Böcke. Wenn die Nadeln beseitigt sind, wird mit dem Niederlegen der Böcke begonnen. Bei dem letzten Bock werden die beiderseitigen Nadellehnen abgehoben, sowie die letzte Brückentafel am Pfeiler aufgeklappt; dann wird die, mit dem Bock verbundene Brückentafel an der mit ihr verbundenen Kette durch eine verstellbare Winde gefasst und mit dieser der Bock auf den Grund hinab gelassen. In derselben Weise erfolgt durch zurückrücken der Winde nun das Umlegen der übrigen Böcke. Die zuerst umgelegten Böcke legen sich in die Nische des Pfeilers. Die anderen Böcke überdecken teilweise die vorhergehenden. Die niedergelegten Böcke sind durch den oberen Teil des Wehrrückens gegen Stöße durch Eis usw. völlig geschützt. Beim Niederlegen eines Bockes wird der Ring (o) am Kettenende desselben an dem Knebel (p) der am folgenden Bock befindlichen kurzen Kette befestigt. Auf diese Weise sind dann alle liegenden Böcke durch Ketten bis zum Blindbock (Mauerwelle) des linken Pfeilers des Nadelwehres miteinander verbunden.
Aufrichten der Böcke. Zunächst wird mit der auf dem linken Landpfeiler stehenden Winde die Kette des ersten Bockes so weit aufgewunden, dass er senkrecht steht; dann werden die Klauen der zugehörigen Brückentafel auf die Welle des linksseitigen Blindbockes gehoben und hierauf die Nadellehne aufgelegt. Dann folgen in gleicher Weise die übrigen Böcke.
Hier noch einige historische Fotos und Dokumente